Dr. Susanne Kaeppele: zu den Serien sometimes, redrum, tabu

Irritierende Schönheit, vor allem der Farben, bis zur Brutalität, dieses vergewaltigende Rot in sometimes, das irrlichternde Schwarzblau in tabu und quietschendes Kindchenrosa in redrum. Und immer liegt ein leiser Horror über den neueren Fotografien von Susanne Neiß: früher Elegie, heute Mord, möchte man es umschreiben. Manchmal wird die Gefahr direkt im Bild thematisiert - ein Messer, ein Schnitt -, aber vorher schon wirkt die erotische, nein sexuelle Konnotation, macht die Bilder beklemmend, bedrängend, gefährlich. Wahrscheinlich hat die Künstlerin völlig harmlose Materialien und Stoffe fotografiert, es könnten Früchte sein oder Blumen, aber die Bedrohung, die entsteht, entwickelt sich eigentlich in unserer Phantasie. Aber gelenkt, denn Susanne Neiß dirigiert uns und wir erschrecken über das, was wir sehen, was in uns entsteht, wohin sie uns geführt hat. Wir erschrecken äber uns selbst, über das, was in uns wach liegt und nun an die Oberfläche drängt.

Immer wieder scheinen es Erzählungen von Verbrechen zu sein, die Frauen geschehen, jedenfalls meint man das zu sehen, zu spüren, zu ahnen. Narrativ schon durch die Serie - selten macht Susanne Neiß nur ein Bild -, durch die Reihung der Fotografien.

Im menschlichen Geist scheint es ein Modul zu geben, das dafür sorgt, dass zwei, drei Bilder schon eine Geschichte erzeugen. Natärlich sind wir heute sehr geprägt durch Filme, durch das schnelle Sehen von Schnitten, aneinandergereihten Bildern, eben durch die zusammensetzende, filmische Wahrnehmung. Und so wird aus tabu ein Krimi: Schon die Farbigkeit, dunkelbraun, verkratztes Eis, eine schwarze Metallrose, ein zerfetztes rotes Haarband im Geäst, und sofort ist sie da, die Geschichte einer Vergewaltigung, eines Kindesmissbrauchs. Und wenn dann noch rote Frotteetuchformen an eine Vagina erinnern und ein Springbrunnen vorkommt, dann kann es sensibleren Menschen schon mulmig werden. Susanne Neiß hat die seltene Gabe, unklare Emotionen auszulösen in stiller Fotografie. Zudem stiftet die Kombination mit assoziationshaltigen Titeln surreale Erzählungen, die aus dem Zwischenbewusstsein stammen könnten: zwischen Tag und Traum, zwischen Nacht und Film, existenziell, bedrohlich, schön.

Besonders gewaltsam wirkt dieses Vorgehen bei sometimes, wo vermutlich rote Marmelade zwischen den Beinen einer Barbiepuppe an krasse Verletzungen denken lässt, die einer Frau beim Geschlechtsakt zugefügt worden sein könnten. Dass der narrative Kontext sich verortet, weil die letzten Bilder der Serie eine verlassene Hütte im Wald zeigen, macht alles nur noch schlimmer. Weil die Szenerie vertrauter, alltäglicher, normaler wird und dann doch wieder überhaupt nicht. Redrum erzielt diese Bedrohung durch Schatten (ein Messer) und Schnitte im Blümchenstoff, aber auch mit vielschichtigen Überblendungen, die völlig neue Räume aufmachen, in denen Rosen keinen Platz mehr haben, weil das Grauen eintrat.